Was ist das? Ist es ein Radio? Aber wozu dann die Gasmasken?
_____________
Wenn ich nicht mehr weiß wohin, und nicht nachhause kann, setze ich mich normalerweise in die Bahn und lass mich durch die Stadt chauffieren. Heute konnte ich noch nicht klar denken. Und es war zu früh um nach hause zu gehen.
Also ab in die S-bahn.
Los gehts.
Ich setz mich in irgendeine Ecke, lasse alles vorbeiziehen.
Nur, heute war etwas anders. Es waren nicht nur Menschen hier, nicht nur fleckige Polster und leergesoffene Bierflaschen. Neben mir, auf der anderen Seite des Ganges.
Stand eine Tasche. Schwarz. Reißverschluss. Unauffällig. Wichtig. Anziehend.
Ich könnte hier sitzen bleiben. Das tun, was ich immer mache. Ich könnte sie ignorieren. Hoffen, dass mich etwas aus meiner gefährlichen Langeweile reißt. Etwas legitimes. Etwas nettes. Etwas, dass mich im Kopf entspannt. Eine Liedzeile, ein Eichhörnchen. Oder eine witzige Werbung.
Aber die Tasche ist viel zu verlockend! Fast hoffe ich darauf, dass eine blinkende, tickende Bombe drin ist, die explodiert, sobald ich sie berühre. Fast hoffe ich, dass sie mich zerfetzt und alles für immer aufhören lässt.
Kurzentschlossen stehe ich auf und greife im rausgehen den lederimitierenden Henkel.
Es ist nicht meine, und ich weiß nicht was drin ist. Ich weiß nicht, wem sie gehört, wie lange sie dort schon steht. Es könnte eine giftige Pflanze sein, oder nur schmutzige Sportsachen, oder eine Handfeuerwaffe, oder eine Ps3, oder ein niedliches Hundebaby.
Also öffne ich den Reißverschluss begierig. Ich zöger den Augenblicks, in dem mein Auge das innere erblickt möglichst lange heraus. Wie beim Geschenke aufmachen. Egal, was es ist: es ist jetzt meins, ich habe die volle Gewalt.
Nun-äh-ja. Es ist eine Art.. Metalplastiklegierung. Mit Schläuchen -ohne blinkende LED Lichtchen, oder Countdownzeitzähler- mit Bedienungsanleitung und Namen, und Adresse wo es hin geschickt wurde. Aber das ist grad nicht wichtig. Ich wüsste gerne was das ist, und ob es wichtig ist. Es sieht nämlich wichtig aus.
Ich kann es behalten und niemand würde es merken.
Aber das will ich gar nicht. Vielleicht hätte ich es gestern getan, oder morgen.
Heute würde es mir guttun, wenn ich Jemandem etwas Gutes tun würde.
Also rufe ich die Hotline der Bahn an und frage die nette Frau, die erstaunlich schnell den Computerstimmenmann ablöst wo ich dieses Dingsda, was ich gefunden hab, abgeben soll.
Mit der Tasche habe ich etwas zu tun, eine Aufgabe. Etwas wichtiges. Etwas, was mich ablenkt und von Kopfschmerzen, Eltern, Wohnungsproblemen, der Herkunft der Bedeutung des „Tweefs“ wegführt.
Also fahre ich zum nächsten Servicepoint.
Also gebe ich die Tasche ab.
Also rede ich mit dem genervten Mann solange, bis er sich glücklicher anhört.
Also lasse ich mir die Quittung geben.
Also bin ich wieder allein.
Ich stelle mich auf eine Brücke, unter mir fahren Leute in motorisierten Metallkästen entlang. Ich will weg, das weiß ich schon lange. Aber ich muss noch warten.
Und weiter brav meine Missionen erfüllen.
Danke, dass du lieber Mensch deine neue Tasche mit deinem superteurem Beatmungsgerät in der Bahn hast liegen gelassen. Hat mir heute geholfen.
Vielleicht passt du in Zukunft ein bisschen besser auf dein Zeug auf.